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Deutschabitur » Korrektur und Bewertung

Korrektur und Bewertung im schriftlichen G9-Abitur

Was bleibt?

  • Bewertungskriterien und Notendefinitionen des KMS zum Lernbereich Schreiben
  • ganzheitliches Erfassen von Charakter und Wert der erbrachten Schreibleistungen
  • innerschulische Bewertungsverfahren mit der Erstkorrektur durch die Kurslehrkraft und der Zweitkorrektur durch ein Mitglied des Fachkollegiums (vgl. § 46 GSO)
  • Orientierung der Bewertung an den Hinweisen zur Korrektur und Bewertung zu den Abituraufgaben sowie an den im Lehrplan festgelegten Lernzielen und Lerninhalten
  • prozentuale „Circa“-Gewichtung von Teilaufgaben
  • angemessene Berücksichtigung des im Unterricht erworbenen Wissens sowie allgemeiner Kenntnisse
  • angemessene Berücksichtigung individueller Lösungen der Prüflinge
  • Hinweise zum Effizienten Korrigieren im Fach Deutsch

Was ist neu?

Gewichtung von Verstehens- und Darstellungsleistungen

Ab dem ersten G9-Abitur im Jahr 2026 wird Bayern einen weiteren Schritt auf dem gemeinsamen Weg der Länder zur höheren Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen vollziehen und das Verhältnis der vornehmlich inhaltsbezogenen Verstehensleistung zu der vorrangig sprachbezogenen Darstellungsleistung näherungsweise quantitativ bestimmen (s. u.).

Die Begriffe Verstehens- und Darstellungsleistung sind aus der Bewertung in den Fremdsprachen bekannt. Sie korrelieren aber auch mit den zentralen Bewertungskategorien, die das KMS zum Lernbereich Schreiben vom 29.06.2023 für Prüfungsarbeiten im Deutschunterricht angibt: „Inhaltliche Relevanz, funktionale Angemessenheit […] und Sprachrichtigkeit“ (ebd. S. 8). Dabei spielen Aspekte der Kategorie Aufbau bei beiden Teilleistungskonzepten eine Rolle.

Dies kann an einem Beispiel des IQB verdeutlicht werden, in dem das Gedicht „Vereinsamt“ von Friedrich Nietzsche (1884) mit anschließendem Vergleich zu „Einsamkeit“ von Rainer Maria Rilke (1902) behandelt wird  (vgl. https://www.iqb.hu-berlin.de/abitur/pools2022/deutsch/). So werden im Rahmen der Verstehensleistung neben dem Inhalt des Schüleraufsatzes auch dessen Differenzierung und Strukturierung bewertet, mithin Aspekte des gedanklichen Aufbaus beurteilt: eine differenzierte Erschließung und Deutung des Gedichts, ein schlüssig begründetes Textverständnis und ein strukturierter Vergleich beider Gedichte sind zunächst kognitive und dann erst sprachliche Leistungen.

Die formalen und sprachlichen Elemente der Textstruktur der Schülerarbeit, also die äußeren Aspekte der Kategorie Aufbau, gehen in die Darstellungsleistung ein. Dazu gehören u. a. eine sichere und eigenständige Realisierung der geforderten Textform bzw. Textsorte, eine erkennbare und schlüssig gegliederte Anlage der Arbeit und eine kohärente und eigenständige Gedanken- und Leserführung.

Die Darstellungsleistung wird mit fünf in den Bildungsstandards verankerten Kategorien(bündeln) abgebildet (vgl. Erwartungshorizont des ländergemeinsamen Abiturs ab 2022), nämlich

• Aufgabenbezug, Textsortenpassung und Textaufbau/Kohärenzbildung,
• Fachsprache,
• Umgang mit Bezugstexten und Materialien,
• Ausdruck und Stil,
• standardsprachliche Normen.

Durch diese Auffächerung ist gewährleistet, dass die Darbietung der inhaltlichen Bezüge bei der Bewertung sowohl hinreichend berücksichtigt als auch angemessen differenziert beurteilt wird. Dabei wird bewusst auf eine Gewichtung der fünf Unterkategorien innerhalb des Teilleistungsbereichs Darstellung verzichtet. Hier ist der Hinweis wegweisend, den die bayerischen Regionalteams im Fach Deutsch für die Erstellung der Schlussbemerkungen zu Abiturarbeiten gegeben haben: Der Schwerpunkt der Bewertung soll „auf die Tiefenstruktur der Arbeit (Textkohärenz, Argumentationsstruktur, Deutungshypothese, …), nicht auf Oberflächenmerkmale (Rechtschreibung, äußere Form, Textumfang, …)“ gelegt werden.

Vor allem aber ist eine „Einzelbewertung von Teilaspekten oder die bloße Umrechnung von addierten Bewertungseinheiten in Noten“ (KMS zum Lernbereich Schreiben vom 29.06.2023, S. 9) zu vermeiden. Weiterhin werden also keine Einzelnoten gebildet und verrechnet.

Bei der Unterscheidung von Verstehens- und Darstellungsleistung sind zwei aufgabenartbezogene Gewichtungsverhältnisse möglich:

  • bei den situierten und adressatenbezogenen materialgestützten Schreibaufgaben (also materialgestütztes Informieren, materialgestütztes Argumentieren): Verstehensleistung ca. 60 %, Darstellungsleistung: ca. 40 %
  • bei den nichtsituierten, weil heuristischen, textbezogenen Schreibaufgaben (also Interpretation literarischer Texte, Analyse pragmatischer Texte, Erörterung pragmatischer Texte):  Verstehensleistung: ca. 70 %, Darstellungsleistung: ca. 30 %

Dabei ergibt sich die stärkere Gewichtung der Darstellungsleistung bei den materialgestützten Aufgaben einerseits aus den höheren Anforderungen durch den erforderlichen Zuschnitt auf die Schreibsituation und den durchgängigen Adressatenbezug sowie andererseits durch die Notwendigkeit der kondensierten, kompakten Gestaltung, die aus der Reduzierung der Wortzahl für die lebensweltnahen Zieltexte resultiert.

Bei zweiteiligen Aufgaben bietet es sich an, die Verstehensleistung separat, also teilaufgabenbezogen, die Darstellungsleistung aber für die gesamte Aufgabe zu erfassen und zu beurteilen. Hinweise auf das Maß, in dem die teilaufgabenbezogenen Verstehensleistungen in die Gesamtnote einfließen, liefern die seit 2021 im Deutsch-Abitur in Bayern wie in anderen Bundesländern üblichen Gewichtungen von Teilaufgaben (bei zweiteiligen Aufgaben). Darauf weisen entsprechende Angaben in der Aufgabenstellung und im Erwartungshorizont hin, z. B. Teilaufgabe 1 „ca. 80 %“. Bei einteiligen Aufgaben entfällt die prozentuale Gewichtung, wobei das Interpretieren weiterhin den Schwerpunkt der Gesamtaufgabe bildet.

Beispiel 1: Schlussgutachten einer Prüfungsarbeit zu einer einteiligen Abituraufgabe

Abitur 2023, Aufgabe IV: Materialgestützten Verfassen eines informierenden Textes (Quelle: Mebis Prüfungsarchiv)

An Ihrer Schule veranstaltet die Film-AG unter dem Motto „Wenn Wörter zu Bildern werden“ eine Filmabend-Reihe für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Eltern und andere Interessierte, bei der verschiedene Literaturverfilmungen gezeigt und diskutiert werden. Zum Auftakt werden Sie gebeten, einen informierenden Einführungsvortrag zum Thema „Literaturverfilmung“ zu halten.
Verfassen Sie diesen Vortrag!
Nutzen Sie dazu die folgenden Materialien 1 bis 6 und beziehen Sie eigene Kenntnisse und Erfahrungen ein!
Verweise auf die Materialien erfolgen unter Angabe des Namens der Autorin oder des Autors und ggf. des Titels.
Ihr Text sollte etwa 1200 Wörter umfassen.

 

Exemplarisches Schlussgutachten (für eine gute Arbeit)

Die Verstehensleistung der vorliegenden Arbeit basiert auf einer reflektierten Auswertung und Nutzung aller Materialien, wobei relevante Informationen aus unterschiedlichen Quellen sinnvoll zusammengeführt und mit passenden Kenntnissen aus dem Unterricht (bes. zur ästhetischen Beurteilung von literarischen Texten und Filmen) und der eigenen Lebenswelt (bes. hinsichtlich ihrer Rezeptions- und Wirkungsbedingungen) verknüpft werden. Insgesamt werden verschiedene Aspekte des Themas Literaturverfilmungen differenziert entfaltet, da neben den Herausforderungen und Grenzen auch einige Vorzüge des Medienwechsels informativ dargelegt und geschickt veranschaulicht werden. Dabei werden Fachbegriffe – wo nötig – stimmig erläutert.

Hinsichtlich der Darstellungsleistung wird eine schlüssig strukturierte und inhaltlich kohärente Ausführung geboten, denn nur ganz selten kommen thematische Doppelungen vor. Die standardsprachlich überwiegend korrekte, terminologisch meist präzise und stilistisch sichere Darstellung überzeugt auch hinsichtlich der konsequenten und funktionalen Berücksichtigung von Adressatenbezug und Quellennachweisen. Zitate aus den Materialien könnten allerdings noch etwas selbstverständlicher gekennzeichnet werden. Anzuerkennen ist hingegen die sichere Einhaltung des geforderten Textumfangs dank einer überzeugenden gedanklichen und sprachlichen Verdichtung.

Entsprechend der Aufgabenart wurden Verstehens- und Darstellungsleistung im Verhältnis ca. 60% / ca. 40% gewichtet.

Die Leistung entspricht voll den Anforderungen. Die Stärken überwiegen die Schwächen deutlich.
12 Punkte / Note gut

 

Hinweise zum exemplarischen Schlussgutachten:

Zunächst wird die Verstehensleistung, dann die Darstellungsleistung beurteilt. Eine prozentuale Verrechnung findet nicht statt; dass Verstehens- und Darstellungsleistung bei dieser Aufgabenart ca. 60% zu 40% gewichtet werden, kann durch das Eingehen auf jeweils mehrere Bewertungsaspekte widergespiegelt werden. Auch die Abhandlung der Darstellungsleistung muss hinreichend differenziert sein.

Im Schlussgutachten wird die Benotung durch Rückgriffe auf die Bewertungshinweise zur Aufgabe gestützt, die wörtlich übernommen, paraphrasiert oder inhaltlich erweitert werden (vgl. „reflektierte Auswertung der Materialien“ „basiert auf einer reflektierten Auswertung und Nutzung aller Materialien“; „differenzierte Entfaltung verschiedener Aspekte von Literaturverfilmungen“ „werden verschiedene Aspekte des Themas Literaturverfilmungen differenziert entfaltet“).

Es wird empfohlen, die letzten beiden Abschnitte (Verhältnis Verstehensleistung/Darstellungsleistung sowie die – ggf. gekürzte – Notendefinition aus dem KMS Schreiben) in jedes Schlussgutachten aufzunehmen.

 

Bewertungshinweise: Kriterien für eine gute Leistung 

  • reflektierte Auswertung der Materialien und eigenständiges Verknüpfen von relevanten Informationen aus den Materialien mit eigenen Kenntnissen     
  • differenzierte Entfaltung verschiedener Aspekte von Literaturverfilmungen
  • schlüssig strukturierte und inhaltlich kohärente Ausführung
  • standardsprachlich überwiegend korrekte, terminologisch meist präzise und stilistisch sichere Darstellung unter konsequenter Berücksichtigung des Adressatenbezugs

Zudem werden Referenzen auf den Erwartungshorizont integriert, indem inhaltliche Forderungen wörtlich oder paraphrasiert angeführt werden (z. B. „neben den Herausforderungen und Grenzen auch einige Vorzüge des Medienwechsels“) oder die nötige Verstehensleistung benannt wird (z. B. „Fachbegriffe – wo nötig – stimmig erläutert“ als Ersatz für „Definition und Differenzierung des Begriffs Literaturverfilmung“).

 

Erwartungshorizont (Auszug)

Die Schülerinnen und Schüler informieren geordnet und differenziert über das Thema „Literaturverfilmung“, z. B.:

  • Definition und Differenzierung des Begriffs „Literaturverfilmung“ […]
  • Erläuterung der Vergleichbarkeit von Literaturverfilmung und Ausgangstext bzw. -medium
  • Darstellung der Herausforderungen an Literaturverfilmungen […]
  • Darstellung der Grenzen der Literaturverfilmung […]
  • Darstellung der Möglichkeiten der Literaturverfilmung […]

Die Schülerinnen und Schüler setzen eigene domänenspezifische Wissensbestände und Erfahrungen in Beziehung zu den vorgegebenen Materialien, z. B. […]

  • Kenntnisse zu Produktions-, Rezeptions- und Wirkungsbedingungen literarischer Texte und von Filmen […]
  • Kenntnisse zur ästhetischen Beurteilung von Literatur und Filmen […]
  • Kenntnisse zu und Erfahrungen mit Literaturverfilmungen aus dem Literaturunterricht oder auch aus der Freizeit.

Beispiel 2: Schlussgutachten einer Prüfungsarbeit zu einer zweiteiligen Abituraufgabe

Abitur 2023, Aufgabe II: Interpretieren eines literarischen Textes (Drama) (Quelle: Mebis Prüfungsarchiv)

  1. Interpretieren Sie den folgenden Ausschnitt aus Tankred Dorsts Drama „Merlin oder Das wüste Land“! (ca. 80%)
  2. Zeigen Sie ausgehend von Ihren Ergebnissen vergleichend auf, wie die Figur des Teufels in Johann Wolfgang von Goethes Drama „Faust. Der Tragödie Erster Teil“ (1808) gestaltet wird! (ca. 20%)

 

Exemplarischs Schlussgutachten (für eine befriedigende Arbeit)

Zu Teilaufgabe 1 wird eine bisweilen differenzierte und weitgehend zutreffende Verstehensleistung in der Regel begründet dargelegt: Zwar werden keine Gesprächsabschnitte angegeben, aber die Konfliktsituation und die Gesprächsentwicklung werden insgesamt treffend beschrieben. Zudem wird die kontrastive Anlage der beiden Figuren erfasst und wiederholt belegt. Allerdings wird nur gelegentlich ein funktionaler Zusammenhang zur dramaturgischen und sprachlichen Gestaltung nachgewiesen, deren genauere Untersuchung unterbleibt. Entwickelt wird eine insgesamt noch stimmige, wenn auch etwas oberflächliche Deutung des Dramenauszugs, die in einem Resümee verdichtet wird.

Die Verstehensleistung bei der Erarbeitung von Teilaufgabe 2 kann dagegen nicht zufriedenstellen. Denn es werden nur wenige plausible Vergleichsaspekte im Hinblick auf den geforderten Gesichtspunkt entwickelt und die Ausführungen dazu sind nur zu einem geringen Teil vergleichend strukturiert; stattdessen werden über weite Strecken die Rolle und die Funktion des Mephisto in Goethes Drama „Faust I“ nur zusammengefasst, allerdings nachvollziehbar.

Die Darstellung entspricht in der Regel standardsprachlichen Normen und ist stilistisch weitgehend angemessen. Mehrfach werden Fachbegriffe korrekt verwendet. Die Wiedergabe der Handlung erfolgt jedoch wiederholt recht nah am Wortlaut des Dramentextes und wird nur selten durch die Angabe von Zitaten und deren Einbindung im Text verankert.

Entsprechend der Aufgabenart wurden Verstehens- und Darstellungsleistung im Verhältnis ca. 70% / ca. 30% gewichtet.

Insgesamt entspricht die erbrachte Leistung im Allgemeinen den Anforderungen. Kleinere Mängel werden noch durch eindeutige Vorzüge ausgeglichen.
7 Punkte / befriedigend.

 

Hinweise zum exemplarischen Schlussgutachten

Bei der zweiteiligen Aufgabe wird die Verstehensleistung teilaufgabenbezogen erfasst und beurteilt, worauf im Schlussgutachten explizit hingewiesen wird: „Zu Teilaufgabe 1 wird eine bisweilen differenzierte und weitgehend zutreffende Verstehensleistung in der Regel begründet dargelegt“.

Es wird empfohlen, die letzten beiden Abschnitte (Verhältnis Verstehensleistung/Darstellungsleistung sowie die – ggf. gekürzte – Notendefinition aus dem KMS Schreiben) in jedes Schlussgutachten aufzunehmen.

Da in den Hinweisen zur Aufgabe Bewertungshinweise nur für die Noten „gut“ und „ausreichend” expliziert werden, werden vorliegend die Hinweise der Regionalteams zum effizienten Korrigieren der schriftlichen Abiturprüfung im Fach Deutsch genutzt.

 

Kriterien für eine befriedigende Leistung (lt. den Hinweisen der Regionalteams zum effizienten Korrigieren der schriftlichen Abiturprüfung im Fach Deutsch)

  • in der Regel begründete Darlegung eines bisweilen differenzierten und weitgehend korrekten Textverständnisses
  • gelegentlicher Nachweis funktionaler Zusammenhänge zwischen inhaltlicher, dramaturgischer und sprachlicher Gestaltung
  • Entwickeln einer insgesamt stimmigen Deutung des Textes, ggf. mitunter etwas oberflächlich
  • z.T. strukturiertes Entwickeln und Ausführen meist plausibler Vergleichsaspekte im Hinblick auf den geforderten Gesichtspunkt
  • standardsprachlichen Normen in der Regel entsprechende und stilistisch weitgehend angemessene Darstellung unter mehrfachem Einbezug korrekter Fachbegriffe

Neben Referenzen auf den Erwartungshorizont (z. B. „kontrastive Anlage der beiden Figuren“ werden auch die Spezifika der Schülerarbeit dargestellt und eingeschätzt. Bei Teilaufgabe 1 etwa „werden keine Gesprächsabschnitte angegeben“ (wie dies im Unterricht vermittelt und geübt worden war). Mit dieser Formulierung wird also ein Versäumnis markiert.

Ein weiteres Beispiel für die Würdigung der individuellen Leistung gibt ein Satz zu Teilaufgabe 2: „…stattdessen werden über weite Strecken die Rolle und die Funktion des Mephisto in Goethes Drama „Faust I“ nur zusammengefasst, allerdings nachvollziehbar.“ Hier wird zwar an die vorher benannten Defizite beim Vergleich der Figurengestaltung angeknüpft („über weite Strecken“), aber gleichzeitig das solide Unterrichtswissen anerkannt.